THE DRIFT, 2021
4K video, colour, sound, 16:9, 25p, ∞
Camera: Jakob Kaiser, Driver: Roman Steinbauer (racing driver)
Wie ein Insekt, kurz bevor es den Geist aufgibt, dreht sich das Auto um sich selbst. Die Nase stur nach innen, auf ein leeres Zentrum hin gerichtet, das Hinterteil von Schub- und Fliehkräften zum Driften gebracht. Doch keine Sorge, in diesem Kraftpaket von Auto ist alles unter Kontrolle, der Motor schwächelt nicht und die Fahrkünste sind topp, allenfalls kommt ein leichtes Schwindelgefühl auf, schließlich geht es unaufhörlich im Kreis herum und eigentlich wissen wir gar nicht so genau, ob wir Zuschauer oder Passagiere sind.
The Drift, so der Titel von Rainer Nöbauer-Kammerers Videoarbeit, steht im Motorsport für eine Fahrtechnik der kontrollierten Instabilität, man bringt das Fahrzeug zum Schlingern und Ausscheren, ohne dabei aus der Bahn geworfen zu werden. Letzteres ist hier wörtlich zu nehmen, es gibt es keinen Ausstieg aus der Geisterfahrt. Eine am Rand des Geschehens platzierte Kamera nimmt den wilden Ritt des Autos auf, Runde um Runde vor dem Hintergrund einer mannshohen, getrimmten Hecke. Eine zweite im Fahrzeug montierte Kamera protokolliert synchron die hinter der Windschutzscheibe schemenhaft vorbei taumelnde Welt: Hecke, Mauer, Fahrzeuge, Hecke, Mauer, Fahrzeuge … ein Reigen des Immergleichen. Auf dem Split Screen sind Innen- und Außenansicht der Fahrt, jeweils montiert zu einem Loop, nebeneinander zu sehen. Wie ein unaufhörliches Echo setzt sich so die Kreisbewegung des Fahrzeugs und der sich drehenden Räder auf der Leinwand fort, untermalt vom auf- und abschwellenden Geräusch des Motors und dem Jaulen der Reifen. Eine klaustrophobische Endlosschleife, in der kein Richtungswechsel vorgesehen ist, kein Innehalten, kein Ausblick. Das Auto performt den rasenden Stillstand, es rotiert in einer abgeschotteten Welt, in der Zeit und Raum wie ausgehebelt scheinen. Nur der verwischte Kreis auf dem Boden, flüchtig gezeichnet von der Abriebspur der Reifen, erinnert daran, dass es so etwas wie Ursache und Wirkung gibt.
In der amerikanischen Land Art der 1960er und 70er Jahre wurde ein solcher Konnex zwischen Eingriff und Spur noch als Gestaltungsraum für große epische Gesten wahrgenommen, man denke an die perfekten Kreise, die Michael Heizer 1970 mit einem Motorrad auf dem ausgetrockneten Grund des Jean Dry Lake in Nevada zog. Die Landkarte des Anthropozän hingegen zeigt die Erde übersät mit Narben und Verwerfungen, es gibt keinen Flecken, der nicht von unserem unmäßigen Fußabdruck gezeichnet wäre. Mit hypnotischer Eindringlichkeit führt The Drift vor Augen, wie aussichtslos und richtungslos wir uns im Kreis bewegen, indem wir alle Energie darauf verwenden, auf dem eingeschlagenen Weg zu beharren.
Die Hecke erspart uns gnädig den Blick auf den Horizont, der Taumel tut sein Übriges.
Text: Gisela Steinlechner
Mein Auto sammelte alle Idiotien, Fehlkalkulationen und Entgleisungen aus der hiesigen Atmosphäre, auf dem Gefitzel begann sich ein Schimmelpilz zu bilden, der eine schwache antibiotische Wirkung auf den Pesterreger, Yersinia Pestis, hatte, es kam zur Mutation, die Variante, die ich Party Isis genannt habe, ging eine Symbiose mit der Elektronik meines toten Autos ein, und da erwachte es zum Leben. Sehen Sie, es verfügt jetzt über ein Wurmloch, über das ich mit Ihnen in der Zukunft kommuniziere. Hello, können Sie mich hören? Mir ist eine Handlung eingefallen. Ja, jetzt wird hier endlich etwas passieren. Der Screen meines kaputten Autos hat sich eingeschaltet. Das Kabel, das aus dem Wrack raushing, kaute die letzten Jahre wohl an der schwarzen Paste am Garagenboden, die aus Bier, Schmieröl und Schandlöhnen, durchsetzt mit Raucherhustenspucke, besteht. Ja genau, das ist dieses krümelige Zeug, in dem bereits sehr früh in der Menschheitsgeschichte der Pesterreger, Yersinia Pestis, nachgewiesen worden ist. Nur hat dieser in der vergifteten Atmosphäre mutiert. Die Buchstabenfolge, die früher die Gene des Bakteriums bezeichnete, ist durcheinandergeraten, einige Zeichen sind ausgefallen, die verbliebenen zeigen, aufgereiht in der Hülle des Cytoplasmas, die leuchtende Bezeichnung Party Isis. Party Isis – Mensch, ist das nicht die Mutation, die unlängst eine Symbiose mit der Elektronik meines kaputten Autos einging, sodass es einen Stoffwechsel entwickeln konnte? Ich meine, so wurde es zum Leben erweckt. Ja, und bei dem Vorgang soll auch das Wurmloch entstanden sein, über das wir nun kommunizieren. Hello, können Sie mich hören? Können Sie mir vielleicht erklären, wie das Paradies der Zukunft, in dem Sie leben, so ungefähr aussieht, damit ich mir überlegen kann, welchen Weg ich einschlagen muss, um es erreicht zu haben, wenn es einmal so weit ist?
Text: Lisa Spalt
Dank an: Forum Stadtpark, Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark und zweintopf