Exhibition view bautzner69 ,Art space for photography, graphics and installation, Dresden. Foto: Karen Weinert
Monitoring
Hahnemühle Bütten Papier 300 g/qm, Anthocyan (Rotkohlsaft), Stationen der Kläranlage Kaditz: Zulauf, Sandfang, Denitrifikation, Belebungsbecken und Nachklärbecken, 2022
6 x 78 x 53cm
Edition Variée von 6
dt.
Mit dem unbegrenzten Wachstum der Städte im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts verlor die Kunst endgültig ihre ästhetische Unschuld im Sinne des Beharrens auf Schönheit. Und es ist kein Zufall, dass Karl Rosenkranz seine „Ästhetik des Häßlichen“ (1853) veröffentlicht, während die großen Städte weltweit um Fragen der Abwasserbeseitigung und Wasserhygiene ringen. Anfang der 1960er Jahre werden Fäkalien dann tatsächlich zum ironischen künstlerischen Medium (oder Malmittel).
Wie bei anderen Projekten ästhetisiert Nöbauer-Kammerer in „Monitoring“ ein quasi wissenschaftliches, mit aller Ernsthaftigkeit durchgeführtes Nachweisverfahren, um auf edlen Bütten die geringer werdende Verschmutzung des Dresdener Abwassers im Verlauf des Klärverfahrens visuell-grafisch darzustellen. Der künstlerische Prozess verbindet Faszination und Ekel. Er entfernt sich weit vom tradierten Begriff des Schönen. Nöbauer-Kammerer gelingt stattdessen eine sehr unmittelbare Transformation von (verdrängter, ausgeschiedener) Realität in Kunstwerke, die einen eigenen monochromen Reiz vermitteln.
Das eschatologische Motiv der Reinigung (auch in gesellschaftlichem Sinne) wird innerhalb des Prozesses unmittelbar sichtbar: von Klärstufe zu Klärstufe werden die Blätter heller, unangenehme Gerüche gehen nicht von ihnen aus. Nöbauer-Kammerer’s Titel „Monitoring“ spielt neben den genannten Aspekten auf die zunehmenden Möglichkeiten der gesellschaftlichen Kontrolle an, die durch die Analyse des Abwassers gegeben sind: Coronaviren, Drogenkonsum etc. lassen sich darin immer genauer nachweisen.
en.
With the unlimited growth of cities in the course of industrialisation in the 19th century, art finally lost its aesthetic innocence in the sense of insisting on beauty. And it is no coincidence that Karl Rosenkranz publishes his „Aesthetics of the Ugly“ (1853) while major cities around the world are wrestling with issues of sewage disposal and water hygiene. Then, in the early 1960s, faeces actually become an ironic artistic medium (or painting medium).
As in other projects, in „Monitoring“ Nöbauer-Kammerer aestheticises a quasi-scientific verification process carried out with all seriousness in order to visually and graphically depict on noble handmade paper the diminishing pollution of Dresden’s sewage in the course of the purification process. The artistic process combines fascination and disgust. It departs far from the traditional concept of beauty. Instead, Nöbauer-Kammerer succeeds in a very immediate transformation of (repressed, excreted) reality into works of art that convey their own monochrome charm.
The eschatological motif of purification (also in a social sense) becomes immediately visible within the process: from purification stage to purification stage the leaves become lighter, unpleasant odours do not emanate from them. Nöbauer-Kammerer’s title „Monitoring“ alludes, in addition to the aspects mentioned, to the increasing possibilities of social control given by the analysis of wastewater: Coronaviruses, drug use, etc. can be detected ever more precisely in it.