Littering

Littering

Site-specific installation in public space, 2021
Concrete, metal, plastic, synthetic resin, glass, paint
80 x 60 x 115 cm (31.49 x 23.62 x 45.27 in.) (LxWxH)

Infolge der rasanten Klimaerwärmung und der dadurch ausgelösten Katastrophen (Brände, Dürre, Verteilungskämpfe, Kriege) und der Brutalisierung des Konsums, wie die Soziologin Saskia Sassen es bezeichnet, verstärkte sich in den vergangenen Jahren die Tendenz, gesellschaftliche und ökologische Defizite auf der Ebenen des individuellen lokalen Konsums zu bearbeiten. Unter dem Vorzeichen einer Redimensionierung politischer Partizipation geraten bisherige Wünsche und Bedürfnisse auf den Prüfstand. Konsumgewissen und die Frage „Was brauche ich wirklich?“ verlangen nach verantwortungsbewussten und raumsensiblen Menschen. Wie sehr durch die Auswirkungen der Pandemie eine Verschärfung im Umgang mit Raumressourcen in der Stadt eintritt, thematisiert Rainer Nöbauer-Kammerers Installation „Littering“ (2021) im Stadtpark. Spezifisch für diesen Ort konzipiert, gestaltet Rainer Nöbauer-Kammerer den Prototyp für ein „Monument“ bzw. ein „Mahnmal der Vermüllung“ von städtischen Grünarealen. „Littering“ greift als skulpturales Ensemble in seiner Materialinszenierung als Guss die Form einer Müllanhäufung auf und untersucht modellhaft die Reiz-Reaktion-Schemata von Kunst im Außenraum.

Dafür reinszeniert Rainer Nöbauer-Kammerer mittels Beton, Metall, Kunststoff, Kunstharz und Farbe eine von ihm während eines Lokalaugenscheins de facto real vorgefundene Situation, nämlich eine Ansammlung von Abfall wie leeren Getränkeflaschen, Dosen, Plastik- und Papiertüten rund um einen überfüllten Mistkübel. Losgetreten wird durch diese im grünen Rasen durch den Grauguss hervorstechende radikale Einzementierung ein vielschichtiger Reflexionsprozess. Was könnte die Ursache für die Vermüllung sein? Basierend auf Recherchen darüber, dass die Stadt Graz zum Zeitpunkt der Realisierung des Projektes (inzwischen hat die Stadtregierung gewechselt) gegenüber Jugend- und Subkulturen eine regelrechte „Verbotskultur“ betrieb und deren Nutzungsräume zunehmend einschränkte, könnten wir zu dem Schluss kommen, dass darin die Ursache liegt. Die drastische Vermüllung von Grünflächen auch in anderen Städten während der Pandemie, in der Partys notgedrungen im Außenraum stattfinden, um den prolongierten Ausnahmezustand zu bewältigen, wirft allerdings weitere Fragen auf:

Weshalb reagiert die Stadtregierung nicht darauf und installiert größere Müllbehälter bzw. positioniert sie an stark frequentierten Stellen? Was veranlasst Jugendliche dazu, die Reste ihres Konsums überall dort zu lassen, wo sie sich gerade aufgehalten haben? Ein Verhalten, das im krassen Gegensatz zu ihrem Engagement für Klimafürsorge und Friday-for-Future-Demonstrationen steht. Braucht es hier Workshops? Geht es hier um Ignoranz oder Protest? Anstatt die Realität durch Restriktionen zu verformen, sollten von der Stadtregierung neue Alternativen entwickelt werden. Wenn wir nun dafür Überlegungen des für die Situationistische Bewegung wichtigen Soziologen Henri Lefebvre zur kapitalistischen Vergesellschaftungsweise unseres Alltagslebens heranziehen, so ließe sich daraus der Schluss ziehen, dass durch das Zusammenwirken von Pandemie und Konsum eine Form der Degeneration von „Alltäglichkeit“ eingetreten ist, die in einer Art von Ambiguität zum Ausdruck gelangt: Während die Jugend auf den Fridays-for-Future-Demos zugunsten der Klimafürsorge protestiert, existiert ein Mangel an Bewusstsein im eigenen Umgang mit Ressourcen.

Für diese Form der Entfremdung gestaltet Rainer Nöbauer-Kammerer ein Mahnmal, das, so paradox es klingen mag, durch den Appell zu einem ökologischen Umgang mit Grünkultur auch eine emanzipatorische Qualität beinhaltet. Demonstriert wird so ein Bewusstsein für aktuelle Fragestellungen der Gegenwart, die bis dato teils von der Kunst ausgeschlossen waren und die nun in direkten Kontakt zu deren Umwelt treten.

dt.
Der Grazer Stadtpark als beliebter Treffpunkt für die Jugend inkl. Müllproblem, das Rainer Nöbauer-Kammerer in der Arbeit „Littering“ mitten im Park einzementiert. Realisiert für die Ausstellung „ONE MONUMENT IN TIME” curated by zweintopf im Forum Stadtpark Graz in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark.

en.
Stadtpark Graz/The Graz Stadtpark as a popular meeting-place for young people, including the problem of litter, which Rainer Noebauer-Kammerer cements in his work „Littering“ right in the middle of/at the heart of the park. Realised for the exhibition „ONE MONUMENT IN TIME“ curated by zweintopf at Forum Stadtpark Graz in co-operation with the Institute for Art in Public Space Styria.

First picture at night. Foto: Lena Prehal